Die Neustadt
Das Zentrum des neuen Taschkent ist der
„Amir - Timur - Park“ (auf der
Karte
Amir Timur Public Garden) Inmitten eines kreisförmigen Parks steht seit 1993 das neue
Symbol des usbekischen National. Bewusstseins:
Tamerlan (1336-1404) oder, wie
ihn die Usbeken nennen, Amir Timur. Er vollzog von Mittelasien aus eine der
größten Reichsbildungen in der Geschichte des Orients und gilt heute in
Usbekistan als der bedeutendste mittelasiatische Herrscher. Das
Reiterdenkmal,
an dessen Stelle noch bis vor wenigen Jahren Marx und Engels einträchtig
standen, passt sicherlich besser zur usbekischen Geschichte als die beiden
Deutschen. Dennoch demonstriert dieser Denkmaltausch beispielhaft den
Identitätsfindungsprozess
und Wertewandel des jungen Staates. Allerdings hat dieser Ort schon
manchen Denkmalwechsel erlebt: Seit 1880 war hier der zaristische Gouverneur
Kaufmann zu sehen, ihm folgte eine Skulptur „Befreiung der Arbeit“, die ab 1940
durch Stalin ersetzt wurde, dem 1967 Marx und Engels folgten. Ein Detail am
Rande: Zwar ist Timur die neue Identifikationsfigur des Landes, genau genommen
war er aber gar kein Usbeke. Die ersten
Usbeken, die Schaibaniden, kamen erst 200 Jahre nach
Timur in diese Region.
Auf das Denkmal laufen acht Straßen
sternförmig zu. Die Salyelgox ko'chasi (auf der
Karte Saligokh St.)
- sie beginnt hinter dem Denkmal -
sollte man unbedingt entlangschlendern, denn die im Jahre 1998 errichtete
Fußgängerzone bietet Gelegenheit zum Schaufensterbummel, Cafe-Besuch oder
einfach nur zum Flanieren. Hier verkaufen Straßenmaler ihre Bilder, hier werden
Silberschmuck und andere Souvenirs angeboten. Zahlreiche Straßencafes - meistens
leider mit Plastikmöbeln -laden bei gutem Wetter zum Verweilen ein. Oder man
testet seine Stimme beim Karaoke. Wer seine heimischen Lebensmittel,
Kleidungstücke oder Eßgewohnheiten vermisst, kann aufatmen: hier gibt es
Supermärkte westlicher Art, Nobelboutiquen und Fast-food-Ketten. Am Rande der
Straße stehen zahlreiche Springbrunnen. Hier geht es eher russisch-europäisch
als orientalisch zu.
Unweit vom Reiterstandbild Timurs, an der
Amir Timur ko'chasi 6, durch seine Große und Farbkraft unübersehbar, liegt das
Museum für die Geschichte der Timuriden. Das Museum, erst 1997 fertiggestellt,
gehört zu den Gebäuden, mit denen das neue selbstbewusste usbekische
Nationalgefühl gefestigt werden soll. Der neuentdeckten Identiftkationsfigur
Timur ist hiermit ein durchaus beeindruckender Tempel errichtet worden. Das Museum ist ein großzügig angelegtes
und von Springbrunnen umgebenes rundes Gebäude. Außen ist es von einer weißen
Säulenkolonnade geprägt, die eine türkisblaue rippenförmige Kuppel trägt.
Betritt man das Museum durch die prächtig geschnitzten Türen, gelangt man in
einen riesigen bis in die Kuppel geöffneten Raum. Das Kuppelgewölbe ist verziert
mit einem vergoldeten ornamentalen Muster und kalligraphischen Aufschriften, die
die wichtigsten Aussagen Timurs wiedergeben. In der Mitte hat man eine
verkleinerte Kopie des berühmten steinernen Koran-Halters, der auf dem Hof der
Bibi - Xanom - Moschee in Samarkand steht, aufgestellt. Auf ihm liegt eine
aufgeschlagene Kopie des Osman-Korans. Eine orientalische Miniatur stilisierend,
zeigt das Gemälde an der Hauptwand eine Empfangsszene im Palast von Timur.
Auch wenn die eigentlichen Exponate erst
auf einer zweiten Ebene, man hat den Eindruck sogar nur auf den zweiten Blick,
zu sehen sind, so ist diese prunkvolle Imitation vergangener Architektur ein
beeindruckendes Erlebnis; wobei für westeuropäische Besucher möglicherweise der
Grat zwischen Pracht und Kitsch schwer zu finden sein wird. Ob den in- und
ausländischen Besuchern ein „sakrales Gefühl“ vermittelt wird oder ob ihnen gar
eine “besondere geistige Kraft“ geschenkt wird, wie es von der Museumskonzeption
angestrebt ist, möge jeder selbst beurteilen.
Das Museum verfügt über 1500 Exponate aus
der Timuridenzeit, von denen 452 gezeigt werden. Neben Münzen, angewandter Kunst
und Manuskripten sind vor allem Modelle der mittelasiatischen Städte
interessant. Das Leben und der Alltag wird dem Besucher durch riesige
Wandgemälde, die nach damaligen Miniaturen angefertigt wurden, näher gebracht.
Bemerkenswert sind noch Handschriften, die
von den Feldzügen Timurs berichten („Silfar name“ – „Buch der Siege“), die
“Bestimmungen Tamerlans“ über den Staatsaufbau und die Gesellschaft, ein
Faksimile des Briefwechsels zwischen Timur und dem franzosischen König Karl VI.
sowie einige Manuskripte berühmter Dichter jener Zeit. Außerdem wird versucht,
die Bedeutung der Timuriden für ihre Nachfolger aufzuzeigen, in dem auch
ausgewählte Gegenstände aus dem 17. -19. Jahrhundert in die Ausstellung
aufgenommen wurden. Das Museum ist von 10 bis 18 Uhr geöffnet (außer montags;
Metro „Amir Timur“).
Dem Museum gegenüber liegt ein Teich, an
dessen Ufern sich einige kleine Cafes befinden. Da außerdem noch Springbrunnen
in der Nahe stehen, ist es hier selbst an heißen Tagen angenehm frisch. Auch
einige Mitarbeiter des benachbarten Energieministeriums verbringen hier ihre
Mittagspause, so dass die Chance. einen interessanten englischsprechenden
Gesprächspartner zu treffen, mittags recht groß ist.
Zehn Minuten Fußweg sind es vom
Reiterstandbild zu einem anderen Platz der Innenstadt. Zwischen der
Buchara ko'chasi und der O'zbekiston ko'chasi (auf der
Karte Buchara St.
und Uzbekiston St.)
liegt das Navoiy-Opern - und-Ballettheater. Das von Scusev.
dem Erbauer des Leninmausoleums auf dem Roten
Platz, errichtete Theater ist im typischen Baustil der
Stalinzeit errichtet worden. Früher befanden sich hier
instabile, wackelige Lädchen, im nassen Herbst konnte man diesen Stadtteil nur
mit Stiefeln betreten, da man im Schlamm stecken blieb. Das Viertel hieß
Pjan-Basar, was soviel wie „Trinker-Basar“, bedeutet, weil so viele Weinhändler
hier ihre Laden hatten. 1933 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, den Alexej
Scusev gewann (auch der Kazaner Bahnhof in Moskau stammt von ihm).
Außen mischt sich Neoklassik mit Elementen
mittelasiatischer Architektur. Als die Kunst noch „dem Volke“ gehörte, wurde ein
Theater errichtet, das die Werktätigen an ihre Arbeit und Herkunft erinnern
sollte: begonnen 1940 und vollendet 1947 - unter Mitarbeit japanischer
Kriegsgefangener. Durchs Hauptportal gelangt man ins Vestibül, dessen Fußboden
mit dunklem Marmor ausgelegt ist. Es folgt der Paradesaal mit einer breiten
Marmortreppe und Platz für 1400 Zuschauer. Der Kronleuchter erinnert an eine
edelsteinbesetzte Tjubetejka. Die sechs Foyers, zwei auf jeder Etage, die
Taschkent, Samarkand, Buchara, Termiz, Chiwa und
Fergana gewidmet sind, sind sehenswert. Aus
jedem dieser Gebiete kamen Meister, die nach alten lokalen Traditionen die Raume
mit Alabasterschnitzereien ausgestalteten. Das Taschkenter Foyer ist mit großen
Sonnenscheiben, wie man sie auch auf der Susani-Stickerei findet, verziert. Das Bucharer Foyer erinnert an den weißen Saal des letzten Emirs von Buchara und
trägt ein subtiles PfIanzenmuster. Im Termiz-Foyer wurden mittelalterliche
Ornamentmotive aus dem Palast des Herrschers von Termiz verwendet. Im Chiwaer
Foyer finden sich geschnitzte Stuckpaneele und Ornamente der Kachelverkleidungen
und Holzschnitzerei Chiwas. Ein landestypisches Erlebnis bietet ein Besuch der
mit bunten Stoffen und sozialistisch-realistischen Spiegeln ausgestatteten
Damentoilette. Daneben befindet sich die günstige Variante des Buffets. Karten
werden zwischen den Säulen vor dem Theater verkauft. Billiger als hier kann man
nirgendwo Aida sehen. Die Inszenierungen sind klassisch - nicht immer
Weltklasse, aber absolut sehenswert.
In der Mitte des Platzes steht ein
achteckiger Springbrunnen aus dunklem Marmor, dessen Umriß an ein traditionelles
usbekisches Muster erinnert, als Sinnbild Usbekistans ragt in der Mitte eine
offene Baumwollkapsel empor. Direkt gegenüber befindet sich das Hotel
„Taschkent“ (tipp: das
Hotel heißt
Heute Le-Meridien), etwas südlicher das Kaufhaus ZUM.
Geht man geradeaus am Hotel
„Taschkent“ vorbei, kommt man auf die Sharaf Rashidov ko'chasi, wo man moderne
Kunst in der Künstlervereinigung Usbekistans sehen kann. Ebenfalls an dieser
Straße liegt das Historische Museum.
Ein wenig weiter, hinter einem schmiedeeisernen Gitter ließ
sich 1833 der russische Großfürst N. Romanov ein
Palästchen bauen. Er hatte
seine Mutter bestohlen und war deswegen nach Taschkent geschickt worden. Es
handelt sich um ein im eklektischen Stil errichtetes zweistockiges
Backsteingebäude, das an eine mittelalterliche Burg erinnert, aber auch Elemente
orientalischer Baukunst besitzt. Am Paradeeingang begrüßen den Besucher zwei
Plastiken: ein schöner steinerner Hund und daneben ein Hirsch mit ausladendem
Geweih. Im Garten befindet sich ein großer Springbrunnen, der lange der einzige
in Taschkent war.
Neben dem Unabhängigkeitsplatz (Mustaqillik
maydoni), zu dem man gelangt, wenn man nördlich der Straße folgt, fließt der
Kanal Anchor, die einstige Grenze zwischen Altstadt und Neustadt.
Der Text ist aus dem Buch "Usbekistan entdecken" entlehnen.
Autor: Judith Peltz. Trescher Verlag www.trescherverlag.de
Anmerkungen von Darya Pitirimova.
Taschkent
Die Altstadt
Museen
Chimgon
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